Impfen ist keine Glaubensfrage

Ich kann’s mir einfach nicht verkneifen. Ich muss das rauslassen. Da kommt mir der eigene Blog gerade recht. Vermutlich bringt das nicht gerade viel, da sich in meinem Publikum wohl eher keine Impfgegner tummeln. Ihr könnt es ja gerne mit welchen Teilen, wenn ihr welche kennt. Ist nur unwahrscheinlich, da wir ja im Netz inzwischen alle unsere Bubble haben.

Impfmüdigkeit: Immer weniger Leute lassen sich impfen. Krankheiten, die eigentlich in die Geschichtsschreibung gehören, keimen wieder auf. Vermutlich vergisst die Gesellschaft einfach, wie schlimme diese Krankheiten sind, weil sie sie nicht mehr erleben muss. Welch‘ eine Ironie! Wenn es dir genauso geht, bite, bitte, lass dich Impfen! Wir müssen mindesten 95 % erreichen, um eine Herdenimunität herzustellen.

In Erste-Hilfe-Kursen führe ich über das Impfen grundsätzlich keine Disskussion. Es frisst einfach zu viel Zeit. Im Mikrobiologie-Kurs hat sich unsere Dozentin den Spaß erlaubt, uns in zwei Lager aufzuteilen, aus denen dann zwei Redner gegeneinander in Argumentations-Krieg treten mussten. Sozusagen das Impfen-TV-Duell der OTA-Ausbildung. Ich war zum Glück „pro Impfen“. Auch wenn keiner meiner MitschülerInnen wirklich gegen Impfen ist, haben sie Argumente recherchiert, die ImpfkritikerInnen tatsächlich anführen. Obwohl es ein Rollenspiel war, hat mich das richtig sauer gemacht. Und deshalb muss ich diesen Text schreiben.

Es macht für mich keinen großen Unterschied, ob jemand auf die AfD ‚reinfällt, den Scheibenerdlern glaubt, dass unsere Welt eine Platte ist oder sich gegen Impfen ausspricht. Es wäre mir sch***egal, wenn die Anti-Impffraktion dadurch nicht die Allgemeinheit, insbesondere geschwächte Bevökerungsgruppen, die sich tatsächlich nicht impfen lassen können, gefährden würden.

Damit sind wir auch gleich bei einem großem Thema: Selbstbestimmung. Verglichen wird die Impfung gerne mal mit anderen medizinischen Eingriffen, über deren Ausführung jeder selbst entscheiden darf. Ansonsten gelten sie als Körperverletzung. Das hat niemand besser verinnerlicht, als wir, die tagtäglich im OP daran mitwirken, Personen aufzuschneiden. Doch, ob Ilse Müller ihren Darmtumor operieren lässt oder nicht, hat keinen Einfluss auf das Allgemeinwohl. Ob sie eine Grundimmmunisierung erhält oder nicht, jedoch schon. Und deswegen ist eine Impfpflicht zu rechtfertigen. Mal ganz krass formuliert, die Freiheitsberaubung wiegt in einer Demokratie genauso schwer, ist aber erlaubt, um andere zu schützen.

Dieser Gedankengang setzt natürlich das Verständnis voraus, dass die Risiko-Nutzen-Abwegung zu gunsten einer Impfung ausfällt. Das heißt, eine Impfung führe ich nur deswegen durch, weil der Nutzen das Risiko überwiegt. Ein Grundsatz, nach dem jeder moralisch gut gepolte Mediziner wirkt. Primum non nocere = Nicht schaden!

Natürlich gibt es Impfreaktionen. Kein Impfbefürworter behauptet das Gegenteil. Sämtliche Standard-Impfungen, die als sinnvoll für jeden Bürger eingestuft sind, bringen sehr geringe Nebenwirkungen mitsich. Leichtes Grippe-Gefühl oder vielleicht auch mal ein wenig Fieber kurz nach einer Impfung. Rötung und Schwellung der Einstichstelle. Das sind die häufigsten Nebenwirkungen, die man in Kauf nimmt, um nicht an Diphterie oder Keuchhusten zu krepieren. Bei anderen Impfungen, wie z. B. Tollwut oder Tuberkulose, sieht das ein wenig anders aus. Daher wird hier individuell erwogen, ob das Expositionsrisiko, also die Wahrscheinlichkeit mit dem Erreger in Kontakt zu kommen so hoch ist, dass man eine prophylaktische Immunisierung anstreben sollte. Wieder zeigt sich der Nutzen wird streng überprüft.

Beispiel

Impfgegener sagt: „Kinder können durch eine Masernimpfung eine Meningitis erleiden.“ Besorgte Eltern sind verunsichert.

Die Wissenschaft sagt: Die Wahrscheinlichkeit in Folge einer MMR-Impfung eine aseptische Meningitis zu erleiden beträgt 1 : 11.000 (ca. 0,009 %). Demgegenüber kommt es in 1.100 von 11.000 Masern-Erkrankungen zur postinfektiösen Encephalitis (ca. 0,1%). Die Gerhirnentzündung ist übrigens noch mal eine Stufe härter, als die alleinige Hirnhautentzündung. Außerdem kommt es zu Mittelohrentzündungen, Bronchitis und Pneumonie. Man ist bis zu 6 Wochen nach Infektion anfällig für bakterielle Superinfektionen. Bei Impfungen ist das noch nie aufgetreten.

Ich könnte mir jetzt die Mühe machen sämtliche Pseudoargumente heranzuziehen und anschließend zu entkräften. Stattdessen ein paar generelle Aussagen, warum man Impfgegnern kein Glauben schenken sollte. (Die könnt ihr dann gleich, mehr oder weniger, auf alle Verschwörungstheoretiker übertragen.) Statistische Zusammenhänge, die Impfgegener heranziehen, sind entweder reine Korrelationen, keine Kausalitäten, oder die Statistiken selbst sind methodisch inkorrekt und daher unbrauchbar. Das ist wirklich so. Das lässt sich nachprüfen. Für ander Behauptungen gibt es schlichtweg keine Indizien, geschweige denn Beweise. Es sind reine Unterstellungen. Eben Verschwörungstheorien.

Ich wünschte man könnte Leute überzeugen, die auf diesen Mist hereingefallen sind, weil Ihnen schlichtweg die quellenkritische Bildung fehlt, um die emotionalisierenden „Gurus & Autoren“ zu hinterfragen. Doch Leute, die am  Ende einfach unsere ganze Realität in Frage stellen, die kann man leider nicht überzeugen. Im Zweifelsfall stellen sie sich schlichtweg hin und sagen, das sind alles Lügen.

Das vielleicht populärste Beispiel: „Impfungen lösen Autismus aus.“ Das Beispiel, welches ich persönlich am amüsantesten finde: „Das Imunsystem, sowie die Lehre von Mikroorganismen sind eh nur unbwiesene Hypothesen.“

In dem Sinne beste Grüße

Euer DerOperateur



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