Eintritt in der Notaufnahme?

Die Kassenärztliche Vereinigung gab eine Idee bekannt, wie man die überwältigenden Zahlen in den Rettungsstellen und Notaufnahmen in den Griff bekommen könnte. Und zwar eine Gebühr. Inzwischen wurde der Vorschlag wieder verworfen, da es zur großen Empörung kam. Zu Recht, wie ich finde.

Hintergrund & Entwicklung

Klar, Pflegenotstand und Ärztemangel. Das haben inzwischhen alle mitbekommen. Jeder der mal notfallmäßig in’s Krankenhaus musste, sei es nur eines gebrochenen Fingers wegen, weiß, da ist immer was los. Man wartet dort sehr lange. Doch sind sich die Leute auch darüber klar, dass das Aufkommen seit Jahren immer größer wird? Dabei nehmen vor allem Fälle zu, die aus medizinischer Sicht keine wirklichen Notfälle sind. Das ist ein großes Problem, da diese Leute die Versorgungspipeline verstopfen.

Das bestehende System

Man nennt es auch das Torhüter-Prinzip. PatientInnen gehen während geregelter Sprechzeiten zuerst zu HausärztInnen, in der Regel Allgemeinmediziner. Die können entweder direkt weiterhelfen oder leiten ihre PatientInnen weirer. Das können Überweisungen zu ebenfalls niedergelassenen FachärztInnen sein oder, wenn es wirklich Anhalt dafür gibt, Krankenhäuser. Dann bekommt man eine sogenannte Einweisung.

Hat man außerhalb der Öffnungszeiten ein medizinisches Problem  gibt es noch weitere Option, an die gedacht werden sollte, bevor Die Notrufnummer 112 gewählt wird. In dringebden Fällen, die kein Notfall auf Leben und Tod sind, kann man den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch nehmen.Welche Notfallpraxen in welcher Stadt wann geöffnet haben, findet man im Internet schnell heraus. Alternativ wählt man die 116 117. Bundesweite ist der ärztliche Bereitschaftsdienst hier zu erreichen. Über die Nummer lassen sich auch Hausbesuche außerhalb der regulären Öffnungszeiten organisieren, für Personen, die die Notfallpraxis nicht aufsuchen können, z. B. weil ihre Erkrankung sie davon abhält.

In vielen Kommunen sind die ärztlichen Bereitschaftsdienste inzwischen an die typischen Notfallstandorte in Kliniken etc. angesiedelt. Dies kann bereits eine mögliche Strategie sein, um die Rettungsstellen zu entlassen. Bietet man konsequent ärztlichen Bereitschaftsdienst und klinische Notfallversorgung Tür an Tür an, kann man eine Art Empfang einrichten, der die PatientInnen auf die verschiedenen Verantwortungsbereiche aufteilt.

Es gibt chirurgische Erste-Hilfe-Stellen, Zahnärztliche Praxen und Apotheken, die im wechsel auch zu später Zeit noch aufhaben. Trotzdem sage ich es noch mal in aller deutlichkeit, damit es zu keinem Missverständnis kommt. In lebensbedrohlichen Fällen ist die 112 goldrichtig.

Unwissenheit

Ihr könnt ja Spaßes halber mal Leute auf der Straße fragen. Was galubt ihr, wie viele euch die 116 117 nennen können und dann auch noch korrekt wiedergeben würden, wofür die Nummer da ist? Ich fürchte eher sehr wenige. Einige Menschen wissen gar nicht, wie das mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst abläuft. Sie gehen direkt in die Notaufnahme, weil sie keine Alternative kennen.

Andere Menschen sind verunsichert, können das Ausmaß ihres Leidens nicht abschätzen und wenden sich vorsichtshalber direkt an die Rettungsstellen, weil sie sich davon umfassende Diagnostik und Sicherheit erhoffen.

Dazu kommen zunehmend Personen aus allen Möglichen Ländern (Tourismus, internationale Wirtschaft & Migration), die ganz andere Gesundheitssysteme gewöhnt sind. Wo sie herkommen, kann es völlig normal sein, dass man in die Krankenhäuser geht, wenn einem egal was fehlt, da es ein vergleichbares ambulantes Verosrgungsnetzwerk (Haus- und Fachärzte) dort gar nicht gibt. Doch auf diese Massen medizinischer Lapalien waren unsere Krankenhäuser nie eingestellt.

Wirtschaftlich schwierig

Im gegensatz zu niedergelassenen Ärzten dürfen Rettungsstellen und Notaufnahmen keine PatientInnen entlassen, ehe eine Lebensbedrohung sicher ausgeschlossen ist, geschweige den Neuzugänge ablehnen. In vielen Fällen bedeutet das maximale Diagnostik. Ich will die konzerne hier nicht in eine Opferrolle bringen. Auch in diesem Bereich finden wir diagnostische Maßnahmen die fraglich häufiger angewendet wird, weil sie lokrativ ist. Man sollte trotzdem nicht vergessen, dass es auch einige umgekehrte Aspekte gibt. Notaufnahmen und Rettungsstellen sind so gut wie nie gewinnbringend. Das einzige, was dem Krankenhaus wirklich was bringt, ist die Akredierung von Fällen, die stationär aufgenommen werden. 

Je mehr Fälle Verluste statt Gewinne bringen, je höher werden sämtliche Ressourcen gespart. Zeit, Materialien, Personal. Das macht ein privater Konzern natürlich sowieso. Trotzdem lässt sich festhalten, dass die Situation sich für alle Beteiligten deutlich entspannen würde, wenn wir dafür sorgen, dass die Rettungsstellen nicht überrannt werden. Letztendlich steigert das auch die Qualität der Versorgung pro Patient. Schließlich provozieren ständige Überforderungen Flüchtigkeits- und Konzentrationsfehler.

Lösungsansatz Gebühr & Alternativen

Der Vorschlag mit einer Gebühr ist ja noch sehr wage in der Öffentlichkeit. Bekannt sind ein möglicher Betrag um die 50 € und die Option, dass „echte Notfälle“ ihr Gebühr ja später wiederbekommen könnten. Ich glaube den Verantwortlichen ausnahmweise wirklich mal, dass hier nicht primär um neue Einnahmequellen geht. Trotzdem glaube ich nicht, dass dies funktionieren wird. Die meißten, die dort auftauchen halten sich selbst für einen Notfall. Sie denken es ist nötig dort zu sein. Und deshalb werden sie auch bereit sein das Geld locker zu machen. Selbst die, in prikärer fianzieller Situation, werden ein rundes Sümmchen locker machen, wenn es um Gesundheit geht.

Es gibt eine fantastische Douk auf arte „Re: SOS Notaufnahme – Ambulanzen am Limit“ in der von einer Klinik in Dublin berichtet wird, die das so ähnlich bereits versucht hat. Umgerechnet 100 € müssen dort für einen Besuch gezahlt werden. Ja, die Zahlen an Besuchern gingen zurück. Doch bedeutungslos geringfügig. Daraufhin kommt eine neue Idee auf. KrankenpflegerInnen übernehmen einen Teil der ärztlichen Patientenbehandlung. Letztlich Dinge, die sie sich eh zu zutrauten, bisher jedoch nicht machen durften. Es hilft dort ganz gut. Wer mehr dazu erfahren möchte, dem lege ich die Doku an’s Herz.

Was können wir in Deutschland ändern?

Wenn ich diese Idee auf Deutschland übertragen nur denke, kann ich mir vorstellen, wie die Bundesärztekammer wieder direkt auf Abwehrhaltung geht. Sobald es darum geht Pfelgekräften mehr Kompetenzen zu geben, wird ja immer gleich aufgeschrien. Ich kann nur mutmaßen, ob das die Angst davor ist, dass sich eine zweite Berufsgruppe neben den Ärzten groß macht. So ganz sinnvoll ist das für’s Gesundheitssystem jedenfalls nicht. Doch wär die stärkere Lobby hat, oder wer lange überhaupt eine Lobby hatte, ist ja wohl klar. Natürlich ist Pflege bei uns im Gegensatz zu Großbritanien nicht akademisiert, trotzdem wäre ein vergleichbare Qualifikation durch Weiterbildungsmöglichkeiten initiierbar.

Bleibt noch der Aspekt, dass wir doch eh schon zu wenige Pflegekräfte haben. Wie sollen diese dann noch mehr tun? Hier schwingen zwei Aspekte mit. In der praktischen Umsetzung in der Notfallambulanz kommt es schnell zur Situationen, in denen eigentlich nur noch zwei drei Handgriffe fehlen, bevor dieser entlassen werden könnte, doch dafür muss ewig auf den zuständigen Arzt gewartet werden. Die sind schließlich ebenso knapp und müssen sich vorallem um die „schwierigeren Dinge“ zuerst kümmern. Könnte das Pflegepersonal an dieser Stelle also selbstständig handeln, wäre in wenigen Minuten wieder ein Platz geschaffen. Zusätzliche Qualifikation steigert außerdem das Ansehen des Berufs und macht die Pflege atraktiver. Denn Pflegekräfte sind ja für viele Dinge qualifiziert, ohne dass sie sie regelmäßig anwenden dürfen und ohne das es jemand mitbekommt.

Auch Studiengänge wie die Physician Assistants könnte hier eine Lücke schließen. Dieser Bachelor ist für Gesundheitsfachberufe geschaffen worden und befördert diese in eine Art weisungsgebundene Assistenzarztposition. So können diese Kräfte z.B. den Stationsalltag übernehmen, sodass Ärzte leichter in den OP gehen können. (Auch die Assistenzärzte.) Sie könnten aber auch einen großteil der Betreuung geringfügigerer Fälle in Ambulanzen und Notaufnahmen übernehmen. Das Problem an dieser Weiterqualifikation ist natürlich, dass das Personal vom Pflegerischen in den ärztlichen Sektor wechselt und hierdurch tatsächlich Kräfte auf einer Seite genommen werden, um die andere zu stärken. Außerdem kritisieren manche, dass der Studiengang eine einmalige Qualifikationserhöhung bedeuten würde, die danach keine Aufstiegschancen mehr bietet. Schließlich wird man ohne Medizinstudium im ärztlichen Sektor nicht höher kommen. Das nur so am Rande. Ich komme weg vom Thema.

Mein Fazit ist also, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die Versorgunsinfrastruktur und die Personalqualifikation beeinflussen können. PatientInnen künstliche Hörden zu schaffen, wird nicht helfen. Vielleicht müssen wir auch mehr Kraft darin investieren, dass wir der Masse die 116 117 und die dazugehörigen Versorgunsoptionen nahe bringen. Dieser Aspekt scheint mir in der Debatte stark unterschätzt zu werden. Ich warte davon keine Wunderwirkung, doch es könnte die Situation verbessern.

Beste Grüße

Der Operateur



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