Ich bin kein Roboter! – Über den Tellerrand #6

Es ist das eine, mal einen Job zu machen, den man nicht so toll findet.

Aber es ist echt zum Kotzen, wenn damit ein völlig unmenschliches Arbeitspensum einhergeht.

Ich habe schon unter hoher Arbeitsverdichtung agiert und bin nicht zimperlich. Auch da sage ich, es ist ja nur temporär. Andere machen das bis zur Rente. Ich freue mich umso mehr, auf meine Ausbildung. Denn dann mache ich einen Job, der mir Spaß macht und mich hoffentlich erfüllt. Jedenfalls, soweit man das von Arbeit erwarten kann.

Dann gibt es allerdings so ganz einfache Sachen: Kleinigkeiten, die aber stimmen sollten. Da sie die Arbeitszufriedenheit stark beeinflussen.

Man verlangt von mir, dass ich mich in kürzester Zeit bestens auskenne. Man glaubt sogar, ich würde jeden Handgriff einer ganzen Schicht kennen, bevor überhaupt die ersten vier Stunden herum sind. Sie sind verwundert, dass es nicht so ist. Vielleicht denken sie, ich wäre ein Androide. Doch eine Zeitarbeitskraft ist kein Roboter! Es wäre schön, wenn man bedenke, dass wir Arbeitskleidung brauchen, zwischendurch mal was trinken müssen und dass wir deswegen auch mal auf Toilette gehen möchten.

Na schön, ich werde schon ab den zweiten Tag komplett auf mich alleine gestellt arbeiten; die einzige Servicekraft auf zwei Stationen mit hoher Fluktuation. Das ist meine liebe Umschreibung für zahlreiche Entlassungen vom Morgen bis in die späten Abendstunden und dem leider nicht seltenen Versterben von Patienten auf der Onkologie. 60 Betten werde ich aus hauswirtschaftlicher Perspektive alleine verantworten. Sollten Unklarheiten bestehen, werde ich improvisieren müssen. Denn von meinen Aufgaben hat das Pflegepersonal auch nur bedingt Ahnung. Ohnehin wird hier erwartet, dass ich das Essen ohne jegliche Fragen austeile. Ich erhalte lediglich einen unvollständig ausgefüllten Zettel, der vor allem nicht aktuell sein muss. Doch, da ich ja kein Roboter bin, kann ich nicht die Patienten scannen und wüsste dann, was sie haben. Die Regelung, dass das Servicepersonal alleine die Essensausgabe managet, finde ich grundsätzlich gut. Ich kenne auch die andere Seite und weiß wie viel die Pflege zu tun hat. Aber dann wäre es doch Sinnvoll mich an der Übergabe teilhaben zu lassen. Ich könnte zuhören, mir Notizen machen und meinen Tag etwas besser planen. Ich erfuhr dann auch rechtzeitig von der einen oder anderen Entlassung und müsste nicht „Schau mal welches Bett leer ist“ spielen. Mal abgesehen von der Mühseligkeit, ist dieses Spiel auch noch sehr waghalsig: Bei manchen Betten lässt sich kaum unterscheiden, ob die Patienten im OP, bei Untersuchungen oder entlassen sind. Lieber Leser, du glaubst jetzt vielleicht, man sehe ja, dass dort noch persönliche Gegenstände des Patienten sind oder nicht. Doch sei gewarnt, dies ist kein Garant in diesem Spiel.

Alles muss natürlich schnell, schnell, schnell gehen. Ich soll funktionieren, so wenig wie möglich nachfragen und alles richtigmachen. Doch es wird nicht mal dafür gesorgt, dass die notwendigen Grundbedingungen erfüllt sind. Ich muss den Leuten hinterherrennen, um Kleidung zu erhalten. Dann muss ich klammheimlich Dienstkleidung in meinem Rucksack mitschleppen, weil ich am nächsten Tag keinen Transponder habe, um eigene Dienstkleidung zu erhalten. Das erfahre ich natürlich nicht zu einer Zeit, zu der man vielleicht noch was organisieren könnte. Ich erfahre es nach Ende meiner Spätschicht – kurz vorm Wochenende. An der Kleideraus/-rückgabe darf ich dann irgendwen suchen, der so lieb ist, mir zu helfen. Schon im Laufe des Tages erfahre ich, dass ich einen Transponder alleine schon dazu gebraucht hätte, mal pinkeln zu gehen. Ich sehe mal davon ab, dass ich der Meinung bin, es stehe mir zu, das Personalbad mitzubenutzen. Die Patiententoiletten sind in die Zimmer integriert und die Besuchertoiletten Lichtjahre entfernt; sie befinden sich nicht auf Station. Die Leute mit denen ich direkt zusammenarbeite sind von meinen Problemen, die ich an sie herantrage, genervt. Die Leute, die mich gebucht haben und verantwortlich sind: Natürlich nicht erreichbar. All das drückt auf meine Motivation und ich denke nur: „Scheiße, noch drei Tage.“ Man kann auch nicht ewig alles positiv sehen.

Aber kommen wir zurück zu meiner Botschaft: Ich bin auch ein Mensch. Es liegt auf der Hand, dass Personalnotstand herscht. Denn sonst wäre ich nicht da. Aber ich bin nicht das Problem; im Gegenteil! Ich bin da, um zu helfen. Natürlich finde ich mich in den ersten Tagen nicht so gut zurecht, wie festangestellte Kollegen. Doch ich bin selbstbewusst genug, um zu behaupten, dass es dem Unternehmen durch meine Mithilfe tausend Mal bessergeht, als wenn ich nicht da wäre! Dafür sollte man mich wenigstens als Menschen behandeln. Ich bin nicht dafür da, dass andere im Krankenhaus ihren Ärger auf mich projizieren. Das geht auch ganz bewusst an alle Strippenzieher hinter der Show und nicht nur an die temporären Kollegen auf Station.

Danke und beste Grüße,

 

DerOperateur



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